In der über 100jährigen Sammlertradition im Landkreis Gifhorn wurden vor allem Steingeräte wie Äxte und Beile zusammengetragen. Keramisches Fundmaterial der Jungsteinzeit wurde erstmals 1920 entdeckt und kurz darauf veröffentlicht (LAMPE 1922). Danach blieb das keramische Fundmaterial bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts in den Magazinen des Landesmuseums Hannover und des Historischen Museums Schloß Gifhorn als solches unerkannt verwahrt. Mit der Aufarbeitung des jungsteinzeitlichen Fundmaterials des Landkreis Gifhorn im Rahmen einer Examensarbeit durch Klaus J. Borchert wurden diese Altfunde "neu entdeckt". Fast zeitgleich konnten auch neue Ober-flächenfundplätze mit jungsteinzeitlicher Keramik erfaßt werden. Die jahrzehntelange Ver-nachlässigung der jungsteinzeitlichen Keramik mag darin begründet sein, daß der Landkreis Gifhorn durch verschiedene Urnengräberfelder seinen Focus auf die Eisenzeit entwickelt hatte.
Heute stammen über 1200 jungsteinzeitliche Objekte aus dem Landkreis Gifhorn. Davon immer noch nur ein Bruchteil aus Keramik. Unter den Felsgesteinobjekten finden sich Dechsel, "Plättbolzen", Donauländische Äxte, Hammeräxte, Doppeläxte, Rundnackige Äxte, Rund-, Oval-, und Rechteckbeile verschiedener Varianten, Absatzbeile, Meißel und Scheibenkeulen, Schlag- und Reibsteine, Mahlsteine, Schleifsteine und Anhänger.
Aus Feuerstein wurden Oval- und Rechteckbeile verschiedener Varianten, Meißel, Dolche fast aller bekannten Formen, Sicheln, Pfeilschneiden und verschiedene Formen von Pfeilspitzen hergestellt. Zudem seien erwähnt Geröllkeulem, Spitzhauen und Geweihäxte. Sie gehören zu den Formen, die zeitlich z.T. auch in die Mittelsteinzeit bzw. Bronzezeit datiert werden.
Die Jungsteinzeit in der Region Gifhorn ist fast ausschließlich durch Oberflächenfunde belegt. Davon wiederum ist der größte Teil als Einzelfund einzustufen oder nur bedingt einem Oberflächenfundplatz mit jungsteinzeitlichem Charakter zuzuordnen. Die geringe Anzahl an keramischen Funden könnte mit einer möglichen Siedlungsleere oder mit einem nur dünn besiedeltem bzw. selten aufgesuchtem Raum begründet werden, aber es muß auch eine allgemeine Forschungslücke in Erwägung gezogen werden.
Jungsteinzeitliche Siedlungen sind, wenn von den Oberflächenfundplätzen abgesehen wird, nur in einem Fall nachzuweisen und in die Einzelgrabkultur einzuordnen. Bestattungen sind bislang nur indirekt über die Großgeräte aus Stein zu erkennen und für die Kugelamphorenkultur zu erschließen. Archivalische Hinweise der 50er Jahre auf zwei Großsteingräber im Groß Oesinger Raum wurden bislang nicht weiter überprüft. Das sogenannte "Großsteingrab von Rethen" ist allein dadurch zweifelhaft, daß es das erste Grab dieser Art wäre, welches in einer nassen Niederung gelegen hätte und nicht in trockener Hanglage. Schließlich wurden bei der Freilegung dieser Steingruppe keinerlei typische Großsteingrab-Hinweise wie datierende Keramik oder Feuersteingrus vorgefunden.
Die jungsteinzeitlichen Großsteingeräte können als Oberflächenfunde nicht immer speziellen jungsteinzeitlichen Kulturgruppen zugeordnet werden. Soweit dies dennoch möglich ist, zeigen Geräte wie Donauländische Äxte / Rössener Breitkeile und Dechsel in der frühen Jungsteinzeit einen starken Einfluß aus dem südlichen bzw. südöstlichen Raum an. Mitteldeutsche Axtformen und die Kugelamphorenkultur verweisen auf Beziehungen zum Osten. Beziehungen zu nördlichen und nordöstlichen Kulturgruppen der Einzelgrabkultur und Becherkulturen der mittleren und späten Jungsteinzeit sind durch das Vorkommen an Jütländische Streitaxtformen und Flintdolchen belegt. Differenziertere Aussagen lassen sich mit diesen Oberflächenfunden nicht finden. Es bleib abschließend nur festzustellen, daß mit all den in der Region Gifhorn vorgefundenen Großsteingeräten die komplette Jungsteinzeit ohne Berücksichtigung der Frage der Besiedlung nachzuweisen ist.
(ergänzter Auszug aus: Klaus J. Borchert, Neolithische Funde aus dem Landkreis Gifhorn.1993. Ungedruckte Examensarbeit am Seminar für Ur- und Frühgeschichte Göttingen)